»Der erste Entwurf einer Kragarmtreppe mit einseitiger Holzwange für ein Haus im Ostseebad Prerow auf dem Darß hat mich gleich begeistert. Das Design war schlicht, elegant und hatte etwas sehr Kühnes«, beschreibt Treppenbauer Bertram Roy seinen Einstieg in das Projekt. Geplant war, drei Ebenen durch zwei gerade, gegenläufige Kragarmtreppen zu erschließen. Die brüstungshohen Wangen sind an der freien Seite miteinander verbunden, es gibt kein Treppenauge. Die Wangen in den Dimensionen 120 x 1050 mm tragen die zunächst als Stahlkonsolen geplanten Stufen.
Die Treppe als Raumskulptur
Der Vorschlag des Treppenbauers, auch die Trittstufen in Vollholz aus Eiche auszuführen, wurde durch den Architekten gerne angenommen. Nachdem der Statiker die Konstruktion, insbesondere die massiven Einspannungen der Wangen, geprüft hatte, stand der Realisierung nur noch die Skepsis des Bauherrn im Wege. Seine Bedenken wurden mit der Anfertigung eines Treppenmusters mit zwei Steigungen im Maßstab 1:1 aus dem Weg geräumt. Das »Probesteigen« war erfolgreich. Die größte Herausforderung während der Fertigung war die Dimension und das Gewicht der Wangen. Das Heben und Händeln der Rohlinge mit ihren jeweils 220 kg erforderte den Einsatz von Hebezeugen wie Scherenhubwagen, Flaschenzügen und schlicht Manpower.
Die Länge von bis zu 5,7 m wiederum verlangte nach extra langen Furnieren und Eichenbohlen. Es gelang tatsächlich, das 1,5 mm Eichen-Furnier sowie den massiven Eichen-Handlauf ohne Längsstoß auszuführen. Auch die massive Fichten-Mittellage der Wangen ist ohne Längsstöße verleimt.
Akribische Montageplanung
Eine weitere Schwierigkeit war die Notwendigkeit, die Wangen vor dem Designestrich zu montieren, da dieses Material in einem Zuge gegossen werden muss und nicht später angearbeitet werden kann. Große Mengen an Feuchtigkeit und massive Holzwangen sind keine gute Kombination. Das Deckfurnier in Eiche verläuft zwar in der gleichen Faserrichtung wie die Mittellage, dennoch war die Angst vor Schäden groß. Abhilfe schafften mehrere penibel angebrachte Schichten an Stretchfolie, um das Außenklima hermetisch von den Holzbauteilen abzuschotten.
Da die Stufen durch die Wange gebolzt sind, wurde es nötig, die untere Wange nach dem Gießen des Estrichs nochmals aus ihrem Stahlschuh im Erdgeschoss zu heben und zur Seite zu schwenken, um die unteren drei Stufen der OG-Treppe verschrauben zu können. Ansonsten ist die Montage relativ unkompliziert. Die Aussparungen für die Stahlschwerter der Wangeneinspannungen sind mit großen Passstücken verdeckt, die bereits in der Werkstatt, zusammen mit den Wangen, überfurniert wurden.
Um die Eichen-Trittstufen rational herstellen zu können, wurde ein massiver Quader verleimt und diagonal aufgeschnitten, um zwei Stufen zu erhalten. Die Gewindestangen für die spätere Befestigung an der Wange wurden schon beim Verleimen des Rohlings eingelegt. Die Gewindemuffen für die Geländerstäbe aus gezogenem Stahl sind ebenfalls im Rohquader eingebracht worden. Jeder Stab ist am Fußpunkt mit einem M-10–Innengewinde versehen und kann somit sehr steif montiert werden.
Passionierte Treppenhandwerker
Die Aufleiter & Roy GmbH wurde 1999 durch die Tischlermeister Dietmar Aufleiter und Bertram Roy in Berlin gegründet. Ziel ist bis heute die ausschließlich handwerkliche Fertigung von Treppen im gehobenen Segment. Als geprüfte Restauratoren im Handwerk realisieren sie auch Aufgaben in der Baudenkmalpflege. Gefertigt wird auf 750 m² Werkstattfläche mit durchschnittlich fünf Mitarbeitern. -HN
Steckbrief
Architektur:
Möhring Architekten
10435 Berlin
Treppenbau:
Aufleiter & Roy GmbH
13125 Berlin